Perspektive Arbeitswelt 02/2021

| 15 Während das angeborene Immunsystem gegen Fremd- stoffe zwar sehr schnell, doch immer in der gleichen Weise vorgeht, ist das spezifische Immunsystem etwas langsamer in seiner Reaktion, jedoch effektiver und darüber hinaus lernfähig. Immunzellen können sich nach einem Erstkontakt die Beschaffenheit des Erregers merken. Bei einem wiederholten Angriff des gleichen Erregers läuft die Immunantwort deutlich schneller. An sich ver- ändernde Erreger passt sich das erworbene Immun- system immer wieder an. Unser immunologisches Ge- dächtnis schützt uns über Jahre vor vielen Krankheiten. Auch viele Impfungen setzen auf die immunologische Merkfähigkeit: Die Impfung markiert den Erstkontakt mit einem Erreger in abgeschwächter Form, unser Im- munsystem merkt sich die Abwehrmechanismen und kann bei einem späteren Kontakt mit dem echten Er- reger wirksam eine Erkrankung abwenden oder deren Verlauf deutlich abschwächen. Symptome als Tätigkeitsnachweis unseres Immunsystems Normalerweise merken wir nichts von der komplexen Abwehrarbeit unseres Immunsystems, denn meistens sind wir gesund. Entzündliche Prozesse allerdings wie Rötungen, Schwellungen oder Schmerzempfindlichkeit sind Anzeichen dafür, dass unsere Immunabwehr auf Eindringlinge reagiert. Bei einer laufenden Nase ver- suchen die Schleimhäute mittels einer übermäßigen Sekretproduktion Keime auszuschwemmen. Gerötete Hautstellen bei kleinen Verletzungen deuten auf erweiterte Gefäße, durch die vermehrt Immunzellen zum Einsatzort gelangen. Auch Fieber ist eine Abwehr- reaktion des Körpers, denn bei erhöhter Temperatur laufen viele Prozesse schneller ab, Immunzellen werden zusätzlich aktiviert, Krankheitserreger können wirksa- mer bekämpft werden. Sonderfall Autoimmunerkrankungen Manchmal ist das Immunsystem fehlgeleitet. Es unter­ scheidet nicht richtig zwischen körperfremden und körpereigenen Substanzen. Wenn das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen arbeitet und versucht, diese zu zerstören, spricht man von Autoimmunerkran- kungen. Dazu gehören beispielsweise Multiple Sklerose, Typ-1-Diabetes, rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn und Zöliakie. Für unsere Immunabwehr arbeiten verschiedene Organe, Lymphbahnen, Zelltypen sowie Eiweiß- und Botenstoffe Hand in Hand. Die Schaltzentrale für das reibungslose Funktionieren unseres Immunsystems ist unser Darm, denn in der Darmwand sind weit mehr als die Hälfte allerImmunzellen angesiedelt. Neben der angeborenen, unspezifischen Immunabwehr entwickelt sich im Laufe unseres Lebens das sogenannte spezifische Immunsys- tem, das bestimmte Erreger gezielt unschädlich macht. Die meisten Infekte sind mit Beginn der warmen Jahres- zeit zwar überstanden, doch mit einer abwechslungsrei- chen Ernährung, viel Bewegung und wirksamen Anti- Stress-Strategien stärken wir unser Immunsystem das ganze Jahr über und können so manchem Erreger ein Schnippchen schlagen. Angeborenes und erworbenes Immunsystem Unser Körper ist gegen Eindringlinge gut aufgestellt. Haut und Schleimhäute lassen Erreger kaum passieren. Bewegungen von Flimmerhärchen, Husten- und Nies- reflex, Spülflüssigkeiten wie Tränen, Schweiß und Urin sowie Darmbewegungen verhindern, dass schädliche Keime sich festsetzen können. Dazu ist unser Immun- system ständig in Alarmbereitschaft. Sobald Abwehr- zellen mithilfe ihrer Rezeptoren körperfremde Substan- zen, sogenannte Antigene, ausmachen, mobilisieren sie unsere Immunabwehr. Das angeborene Immunsystem ist die schnelle Eingreif- truppe. Fresszellen (Phagozyten) umschließen einge- drungene Keime und machen sie unschädlich. Eiweiße (Enzyme) wirken unterstützend, indem sie Eindringlinge für Fresszellen kenntlich machen und zusätzliche Im- munzellen aktivieren. Außerdem sind sie in der Lage, Virushüllen und Bakterienwände zu zerstören. Natürli- che Killerzellen, die infizierte Zellen erkennen und durch Zellgifte (Zytotoxine) vernichten, sind ebenfalls Akteure des natürlichen oder unspezifischen Immunsystems. Das erworbene Immunsystem dagegen nimmt sich fremde Substanzen genauer vor, um eine passgenaue Immunantwort bereitzustellen. Verschiedene Immun- zellen arbeiten dafür im Team, Botenstoffe unterstützen die Übermittlung von Informationen. T-Lymphozyten (T-Zellen oder T-Helferzellen) binden Erreger und können ihre Merkmale entschlüsseln. Sie aktivieren nun gezielt zum Erreger passende B-Lym- phozyten (B-Zellen), die in kurzer Zeit maßgeschnei- derte Antikörper bilden. Diese Antikörper binden an die Fremdsubstanzen. So verhindern sie nicht nur die Schä- digung anderer Körperzellen, sie markieren gleichzeitig die Erreger für die Fresszellen des natürlichen Immun- systems. Außerdem aktivieren sie andere Immunzellen und bei der Abwehr unterstützende Eiweiße.

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