Perspektive Arbeitswelt 02/2022

| 11 Eine weitere Besonderheit liegt in den Ergebnissen, die dieses Verfahren bringt. Die Konfliktparteien bestimmen eigenverantwortlich und freiwillig, für welche Lösungs- möglichkeit sie sich entscheiden. Eine Mediation bietet also die Chance auf eine Lösung, die von beiden Seiten vollumfänglich getragen wird. Ganz anders verhält es sich mit einem vor Gericht geführten Rechtsstreit. Hier prüft der Richter den vorgebrachten Sachverhalt und fällt ein Urteil unter Berücksichtigung der geltenden Rechtslage. Das Ergebnis entspricht damit zwar Recht und Gesetz, die Parteien müssen damit aber nicht un- bedingt glücklich sein. Ablauf der Mediation Auch in der Mediation vertreten die Beteiligten unter- schiedliche Positionen („Ich will die Orange!“). Hieraus werden Themen herausgefiltert, die es zu bearbeiten gilt. Zu diesen Themen durchlaufen die Medianten zu- sammen mit dem Mediator einen Prozess. Dabei hilft der Mediator den Beteiligten zu erkennen, welche Inte- ressen und Bedürfnisse hinter den Positionen stehen („Ich möchte einen Kuchen backen.“, „Ich hätte gerne einen Saft.“). Diese Phase der sogenannten Konflikter- hellung sorgt unter den Beteiligten für gegenseitiges Verständnis. Auf dieser Basis tritt man dann in die Phase der Lösungs- findung. Etwa im Rahmen eines Brainstormings können die Beteiligten alle möglichen Ideen äußern. Letztlich wird geschaut, welche Lösungen von allen Seiten pri- orisiert werden und ob diese realisiert werden können. Die Lösungen finden sich dann in der Abschlussverein- barung der Mediation wieder. Chancen im professionellen Bereich Gerade im beruflichen Umfeld bieten sich viele Anlässe, einen Mediator mit einzubeziehen – angefangen bei Teamentwicklungen über Konflikte unter Mitarbeitern bis hin zu Kündigungen oder Vertragsstreitigkeiten. Prüft man die Interessen der Beteiligten unter Mitwir- kung eines Mediators, lassen sich häufig kreative und zufriedenstellende Lösungen finden. Und wenn es nicht klappt? Kommt es zu keiner Einigung oder Teileinigung, steht den Parteien der Gang vor Gericht ebenso offen wie die Einleitung eines Schiedsgerichtsverfahrens. Nicht sel- ten werden Verhandlungen oder die Mediation jedoch nach einer gewissen Zeit wieder aufgenommen. Es ist auch möglich, zunächst etwa eine Vereinbarung zu un- terzeichnen, die lediglich die Grundzüge der Einigung dokumentiert. Mediationsgesetz Die Mediation wird häufig als Verhandlung im Schatten des Rechts angesehen. Das heißt jedoch nicht, dass es einer rechtlichen Grundlage entbehrt. So wurde im Juli 2012 die Mediation in das deutsche Rechtswesen inte- griert. Das Mediationsgesetz regelt seitdem Merkmale und Handhabung des alternativen Konfliktlösungsver- fahrens. Die Qualität der Mediationsverfahren soll durch einheitliche Qualifizierungsstandards in der Ausbildung sichergestellt werden. Als zertifizierter Mediator darf sich bezeichnen, wer eine näher definierte Ausbildung zum Mediator abgeschlossen hat und regelmäßig ent- sprechende Fortbildungen wahrnimmt. Hinweis: Mediatoren findet man über das Internet (Websites, Werbung etc.) oder zum Beispiel über die Berufsverbände der Mediatoren. Einige Rechtsschutz- versicherungen übernehmen die Kosten einer Mediation und vermitteln in diesem Zusammenhang Kontakte zu entsprechenden Experten. Kosten Für die Mediation gibt es keine feste Gebührenordnung. In der Regel rechnen die Mediatoren nach Stundensatz ab. Es ist aber auch üblich, pauschale Summen für das komplette Verfahren zu vereinbaren. Ebenfalls ist fest- zulegen, wer die Kosten trägt. Allerdings – und das ist besonders wichtig – hat die Kostenübernahme keinen Einfluss auf die Allparteilichkeit des Mediators. Beispiel: Eine Arbeitnehmerin kommt häufig verspätet zur Arbeit. Sie wird abgemahnt und es droht die Kündigung. Andererseits möchte der Arbeitgeber die Mitarbeiterin ungern verlieren, jedoch gleichzeitig den reibungslosen Ablauf im Betrieb nicht gefährden. Im Verlauf der Mediation zeigt sich, dass die Mitarbeiterin alleinerziehend ist und ihre 4-jährige Tochter aufgrund schlechter ÖPNV-Verbindungen erst dann im Kindergarten abgeben kann, wenn sie schon auf der Arbeit sein müsste. Gleichzeitig stellt sich heraus, dass es die betrieblichen Abläufe nicht stört, wenn die Arbeitnehmerin bestimmte Teile ihrer Aufgaben zu anderen Zeiten erledigt als ihre Kollegen. Außerdem fallen verschiedene Tätigkeiten am PC in ihren Bereich – für die sie nicht zwingend vor Ort sein muss. Im Ergebnis vereinbaren Unternehmen und Mitarbeiterin eine Kernarbeitszeit, die es ihr möglich macht, ihr Kind morgens zum Kindergarten zu bringen. Gleichzeitig erhält sie die Option, die Verwaltungstätigkeiten im Homeoffice zu erledigen.

RkJQdWJsaXNoZXIy NTM3NjI=