Perspektive Arbeitswelt 03/2022

8 | PERSPEKTIVE Arbeitswelt Arbe & Werkstudentenprivileg – Corona-Sonderregelungen aufgehoben Um der Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken bzw. die Pandemie einzudämmen, wurde die Präsenz- lehre an den Hochschulen in den letzten Jahren zu- gunsten digitaler Online-Distanzlehre ausgesetzt. Die Sozialversicherungsträger hatten sich daher darauf ver- ständigt, dass während dieses Zeitraums der Distanz- lehre von dem Grundsatz der maximalen Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche neben dem Studium (Werk- studentenprivileg) durch eine flexiblere Zeiteinteilung abgewichen werden kann. Angesichts der weitgehenden Rückkehr zum Präsenz- betrieb an den Hochschulen mit Beginn des Sommer- semesters 2022 wird an der vorgenannten Auslegung der Rechtslage zum Werkstudentenprivileg nicht weiter festgehalten. Das bedeutet, dass seit Beginn des Som- mersemesters 2022 für neben dem Studium ausgeübte Beschäftigungen wieder die vor der Corona-Pandemie geltenden Regelungen zu beachten sind. Dies gilt auch für Beschäftigungen von Studierenden, die vor Beginn des Sommersemesters 2022 aufgenom- men wurden und über diesen Zeitpunkt hinaus noch andauern. „Kennenlern-Praktikum“ gesetzlich unfallversichert Eine Arbeitsplatzbewerberin steht bei der Besichtigung des Unternehmens im Rahmen eines eintägigen unent- geltlichen „Kennenlern-Praktikums“ unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Zu dieser Entschei- dung gelangte der 2. Senat des Bundessozialgerichts mit Urteil vom 31.03.2022 (AZ: B 2 U 13/20 R). Die arbeitsuchende Klägerin absolvierte bei einem Unternehmen ein unentgeltliches eintägiges „Kennen- lern-Praktikum“ auf der Grundlage einer „Kennenlern-/ Praktikums-Vereinbarung“ mit diesem Unternehmen. Während des „Kennenlern-Praktikums“ fanden unter anderem Gespräche, eine Betriebsführung, ein fachli- cher Austausch mit der IT-Abteilung und zum Abschluss die Besichtigung eines Hochregallagers statt. Bei der Besichtigung des Hochregallagers stürzte die Klägerin und brach sich den rechten Oberarm. Anders als die beklagte Berufsgenossenschaft und die Vorinstanzen hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat. Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Unfalles Teilnehmerin einer Unternehmensbesichtigung. Teilnehmer einer Unternehmensbesichtigung sind nach der Satzung der beklagten Berufsgenossenschaft - im Unterschied zu Satzungen anderer Unfallversicherungsträger – unfall- versichert. Das eigene – unversicherte – Interesse der Klägerin am Kennenlernen des potenziellen zukünfti- gen Arbeitgebers steht dem Unfallversicherungsschutz kraft Satzung hier nicht entgegen. Die Satzungsregelung der Beklagten ist nicht auf Perso- nen beschränkt, deren Aufenthalt im Unternehmen aus- schließlich der Besichtigung dient. Unternehmer sollen vielmehr umfassend von Haftungsrisiken befreit werden, die durch erhöhte Gefahren bei Unternehmensbesuchen entstehen können. SVinside – Juli 2022

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