Perspektive Arbeitswelt 03/2023

| 7 Gänzlich auf elektronische Aufzeich- nungen verzichten dürfen Betriebe mit bis zu zehn Arbeitnehmern. Gleiches gilt für ausländische Ar- beitgeber ohne Betriebsstätte im Inland, wenn sie bis zu zehn Leute nach Deutschland entsenden. Fer- ner gehören dazu Privathaushalte, die Hausangestellte beschäftigen. Für alle anderen Arbeitgeber sind Übergangsregelungen vorgesehen. So wird generell im ersten Jahr keine elektronische Aufzeichnung gefordert – theoretisch reicht eine handschriftliche Dokumentation. Kleine und mittlere Betriebe kön- nen zwei Jahre auf elektronische Aufzeichnungen verzichten, sofern sie weniger als 250 Arbeitnehmer beschäftigten. Sind es weniger als 50 Arbeitnehmer, beträgt die Über- gangsfrist fünf Jahre. Wichtig: Bei den beschriebenen Ausnahmen geht es allein um die elektronische Erfassung, nicht um die Aufzeichnung als solche. Diese wird mit In-Kraft-Treten des Geset- zes – ohne Übergangsfrist und ohne Ausnahmen – obligatorisch. DOKUMENTIERT UND ARCHIVIERT Die Nachweise über die geleistete Arbeitszeit müssen vom Arbeit- geber mindestens zwei Jahre lang aufbewahrt werden. Zudem können Beschäftigte Informationen über die aufgezeichnete Arbeitszeit ver- langen – beispielsweise, wenn es darum geht, die Bezahlung bzw. den Ausgleich geleisteter Überstunden geltend zu machen. Die Lösung: Das Gesetz erlaubt es, dass Arbeitgeber ihre Aufzeich­ nungspflicht an die Arbeitnehmer delegieren können. So muss der Arbeitgeber bei einer Vertrauens- arbeitszeit lediglich sicherstellen, dass ihm Verstöße gegen die Be- stimmungen des Arbeitszeitgeset- zes zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Die Arbeitszeiten müssen zwar – zum Beispiel vom Arbeitnehmer – aufgezeichnet werden, der Arbeit- geber kontrolliert jedoch nicht, ob die vertraglichen Arbeitszeiten ein- gehalten werden. Kommt es zu einer Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde, müssen die Arbeitgeber die korrekte Zeiter- fassung nachweisen. Entsprechend müssen sie in diesen Fällen dafür sorgen, dass Mitarbeiter die Zeiten auch tatsächlich dokumentieren. BEISPIEL EinArbeitnehmermit Vertrauens- arbeitszeit erfasst Beginn und Ende seiner Arbeits- und Pau- senzeiten mittels einer App. Die- se sendet eine Information an den Arbeitgeber, wenn Höchst- arbeits- und Pausenzeiten nicht eingehalten bzw. keine Zeiten er- fasst werden. HOHE STRAFEN BEI VERSTÖSSEN Bei Verstößen gegen die neuen Aufzeichnungspflichten drohen Ar- beitgebern erhebliche Strafen. Das Gesetz nennt Bußgelder bis zu 30.000,00 Euro und den Einzug von Gewinnen, die aufgrund von Ver- stößen gegen das Arbeitszeitgesetz ermöglicht bzw. erzielt wurden. WIE GEHT ES WEITER? Der Referentenentwurf zur Neu- fassung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG-E) befindet sich zurzeit in der parlamentarischen Beratung. Wann das Verfahren abgeschlossen sein wird, und welche Änderungen letztlich beschlossen werden, ist zurzeit noch nicht absehbar. VEREINBARUNGEN GEHEN VOR Große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Vereinbarun- gen der Tarifpartner zu. So können Tarifverträge (oder auf deren Basis erlassene Betriebs- oder Dienstver- einbarungen) Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Aufzeich- nung vorsehen. Ebenfalls ist eine Vereinbarung denkbar, nicht täglich dokumentieren zu müssen. Maximal wäre laut Gesetz ein Spielraum von sieben Kalendertagen drin. BEISPIEL Im Tarifvertrag wird geregelt, dass die hiervon erfassten Un- ternehmen die tägliche Arbeits- zeit ihrer Beschäftigten einmal wöchentlich in eine Excel-Tabelle erfassen, soweit sie kein elektro- nisches Verfahren zur Zeiterfas- sung nutzen. SONDERFÄLLE Weitere tariflich festzulegende Aus- nahmen sind denkbar für Arbeit- nehmergruppen, die keine festen Arbeitszeiten haben, sondern über deren Umfang und Einteilung selbst entscheiden. Wer genau zu diesem Personenkreis gehört (gedacht ist an bestimmte Führungskräfte, be- sondere Experten, Wissenschaftler etc.) und damit nicht der Aufzeich- nungspflicht unterliegt, ist von den Tarifpartnern festlegen. VERTRAUENSARBEITSZEIT Auch Arbeitsverhältnisse, bei denen Arbeitnehmer im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeit tätig werden, passen nicht wirklich in diesen Rah- men. Weil hier Beginn und Ende der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht festgelegt, sondern den Mit- arbeitern überlassen werden, wür- de es diesem Modell quasi zuwider laufen, müsste der Arbeitgeber die Zeiten konkret erfassen und nach- halten.

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