Perspektive Arbeitswelt 04/2024

| 15 Das sagt das Arbeitsrecht Das Arbeitsrecht ist grundsätzlich sehr liberal, was die Duldung von Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz an- geht. Arbeitsrechtlich relevante Eingriffe sind nur im Ausnahmefall erlaubt. Das bedeutet: Verliebte dürfen auch am Arbeitsplatz verliebt sein. Es gelten folgende Regeln: • Affären im Büro dürfen nicht zur Vernachlässigung der Arbeit führen. Auch darf die Affäre keinen Einfluss auf die Außenwirkung des Unternehmens haben. • Einschränkungen im Arbeitsvertrag wie „keine Beziehungen im Kollegenkreis“ sind, weil sie gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen, nicht zulässig. • Vorgesetzten, die Einfluss auf eine Beziehung ihrer Angestellten nehmen wollen, sind enge Grenzen gesetzt. So ist etwa ein erzwungener Wechsel vom Einzel- in ein Großraumbüro nicht zulässig, wenn er lediglich die Liebesbeziehung unterdrücken soll. • Kommt es nach dem Ende einer Beziehung zwischen Chef und Angestellter seitens der Angestellten zu schwerwiegenden und bewusst herbeigeführten Störungen des Betriebsklimas, kann eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung die Folge sein. Eine bloße schlechte Stimmung nach einem Beziehungsende hat keine arbeitsrechtlichen Folgen. Eventuell kann eine Versetzung gerechtfertigt sein. • Bei einer innerbetrieblichen Liebesbeziehung zwischen zwei Minderjährigen gilt: kein Eingreifen nötig, solange sich die Beziehung nicht auf die Leistungauswirkt. • Beziehungen zwischen Chef und Angestellter oder Ausbilderin und Azubi sind arbeitsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn das Abhängigkeitsver- hältnis nicht ausgenutzt wird, die Beziehung also aus freien Stücken eingegangen wurde. • Gegen gemeinsame Urlaube spricht wenig, da Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet sind, Urlaubs­ wünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Dringende betriebliche Belange oder soziale Gesichtspunkte von Kollegen (Eltern mit schul- pflichtigen Kindern haben Vorrang) können aber zu Einschränkungen führen. Abhängig oder bevorzugt? Wenn einer der beiden Verliebten dem anderen Part vorgesetztist, sollten die Alarmsignale angehen. Denn zum einen stehen Abhängigkeiten im Raum, die ein sachliches, produktives Miteinander gefährden können. Zum anderen kann im Team der Eindruck entstehen, dass die Beziehung zu einer Bevorzugung führt. Bevor- zugungen gibt es im menschlichen Miteinander zwar immer, sie sind geradezu unausweichlich und können viele Gründehaben. Doch wenn Bevorzugungen auf- grund einer Liaison entstehen, tritt fast automatisch der bereits angesprochene Missgunstfaktor im Kollegen­ kreis auf den Plan und erschwert das kollegiale Mitei- nander. Man sollte sich das Problem einmal aus der Sichtweise des Mitarbeiters vergegenwärtigen, dessen Chefin mit seinem Kollegen zusammen ist: Wird der Kollege nicht bei der Urlaubsplanung bevorzugt, bekommt er womög- lich die angenehmeren Arbeiten zugewiesen oder erhält gar ein besseres Gehalt? Wer nicht auf solche Gedanken kommt, ist entweder naiv oder ein Heiliger. Sagen oder verschweigen? Jedes Paar, das sich in der Firma findet, steht gleich am Anfang der Beziehung vor einer schwierigen Frage: Sagen wir es den Kollegen und den Vorgesetzten? Ein echtes Dilemma – wer die Beziehung verschweigt, lässt sich auf ein kräftezehrendes Versteckspiel ein. Wer sie öffentlich macht, riskiert womög- lich Neid und Missgunst im Kollegenkreis oder die Versetzung in eine andere Abtei- lung. Denn so natürlich und naheliegend die Entstehung einer Liebesgeschichte am Arbeitsplatz auch erscheinen mag, so problematisch kann sie aus Sicht des Unternehmens sein. Generell erwarten Unternehmen, dass die Arbeitszeit von privaten Dingen freigehalten wird. Wenn ein Paar das hinbekommt, wird das Un- ternehmen keinen Anstoß daran nehmen. In bestimmten Paar- konstellationen aber kann es trotzdem zu speziellen Prob- lemlagen kommen. Neben der Kontaktanbahnung im Freundes- und Bekanntenkreis ist das berufliche Umfeld heute die wichtigste Kontaktbörse in der nichtvirtuellen Welt. Was auf den ersten Blick schön zu sein scheint – man verbringt den ganzen Tag miteinander –, birgt beim genaueren Hinsehen ein nicht unerhebliches Konfliktpotenzial.

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