Perspektive Arbeitswelt 03/2022

| 11 Individuelle Vereinbarung Abgesehen von wenigen Tarifver­ trägen braucht es fast immer eine individuelle Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine Ausnahme bildet hier der öffentliche Dienst. Vereinfacht sieht es dort so aus, dass Beamte eine gewisse Zeit für einen entsprechenden Anteil des normalen Gehalts ihren Dienst leis- ten. Konkret sind es zwischen zwei bis sechs Jahren. Die Einbuße dient dann dazu, im Freistellungsjahr ebenfalls die anteiligen Dienstbezü- ge weiterzubekommen. Theoretisch können auch privat beschäftigte Personen solche Vereinbarungen mit ihrem Arbeitgeber treffen. Beispiel Ein Arbeitnehmer bekommt ein Jahresgehalt von 60.000,00 Euro. Er vereinbart mit seinem Arbeitgeber, dass er für die nächsten 3 Jahre nur noch 40.000,00 Euro bekommt. Dafür arbeitet er 2 Jahre in Vollzeit und muss im dritten Jahr keine Arbeitsleistung erbringen. Freizeitausgleich und Wertguthaben Gibt es ein Arbeitszeitkonto, lassen sich dort – je nach Vereinbarung – mehr oder weniger viele Mehr­ arbeitsstunden ansammeln. Diese können dann als Freizeitausgleich für die Auszeit genutzt werden. Klarer Vorteil: Das Gehalt fließt unverändert weiter, entsprechend bleibt auch die soziale Absicherung erhalten. Langzeit- oder Lebensarbeitszeitkon- ten gehen über den reinen Freizeit- ausgleich hinaus und eignen sich insbesondere für längere Freistel- lungszeiten. Bei solchen Modellen fließen nicht nur Mehrarbeitsstun- den, sondern ggf. auch Sonder- zahlungen zusätzliche Urlaubstage usw. über längere Zeiträume hin- weg auf ein Zeitwertkonto. Da auf lange Sicht angelegt, muss eine entsprechende schriftliche Verein- barung für dieses Modell vorliegen, eine Absicherung gegen das Risiko der Insolvenz ist obligatorisch. Das aufgebaute Guthaben wird in der Phase, in der der Mitarbeiter nicht arbeitet, als Gehalt ausgezahlt. Renten- und Arbeitslosenversiche- rungsbeiträge fallen während die- ser Zeit allerdings nicht an – es sei denn man möchte diese freiwillig entrichten. Gute Planung Egal für welches Modell man sich entscheidet: Experten raten dazu, die geplante Freistellung mindes- tens ein halbes Jahr vorher mit dem Arbeitgeber zu besprechen. So gibt es für beide Seiten einen ausrei- chenden Planungshorizont– etwa um eine Vertretung zu organisieren oder einen anderen Mitarbeiter be- fristet einzustellen. Erfahrungsge- mäß haben es große Unternehmen hierbei leichter als Kleinbetriebe. Vertrag schafft Klarheit Haben sich Arbeitgeber und Ar- beitnehmer über die Modalitäten der Auszeit verständigt, sollten sie dies im Rahmen eines Vertragsdo- kuments schriftlich niederlegen. Wichtige Eckpunkte sind etwa die Zusicherung der späteren Rückkehr auf die alte Stelle oder auch ein Kündigungsverbot. Urlaub im Urlaub? Grundsätzlich behalten Arbeitneh- mer ihren Urlaubsanspruch, solange das Arbeitsverhältnis besteht. Die bezahlte Freistellung schadet also nicht. Anders liegen die Dinge bei der Auszeit ohne Entgeltanspruch. Für diese Zeiten steht kein Urlaub zu, der Arbeitgeber darf also (anteilig) kürzen. Und danach? Stress lass nach: Studien zeigen, dass ein Sabbatical durchaus posi- tive Auswirkungen auf den Gesund- heitszustand haben kann. Allerdings verpufft dieser Effekt zumeist recht schnell, sobald man wieder in sein altes Leben zurückkehrt. Man tut also gut daran, sich während der Zeit der Freistellung z. B. Gedanken darüber zu machen, was einen frü- her ggf. stark gestresst hat und wie man dies künftig vermeiden, zumin- dest aber abschwächen kann. Der Mitarbeiter ist somit finanziell und sozial abgesichert. Denkbar wäre es auch, erst freizu- machen und dann nachzuarbeiten, um das Konto wieder auszugleichen. Wegen der damit verbundenen Risi- ken ist dies jedoch eine eher selten anzutreffende Variante. Beispiel Ein Arbeitnehmer befindet sich bis Ende September 2022 in der Auszeit und hat dafür sein komplettes bisheriges Wertguthaben verwendet. Nun möchte er kurzfristig um 1 Monat verlängern. Mit dem Arbeitgeber ver­ einbart er, den Oktober 2022 über das Wertguthabenkonto mit einer für Dezember 2022 anstehenden Jubilä­ umsgratifikation (1 Monatsgehalt) aus­ zugleichen. Sonderurlaub Eine relativ unkomplizierte Variante zur längeren Freistellung ist der unbezahlte Sonderurlaub bis zu ei- nem Monat. Sozialversicherungs- rechtlich ist dies unproblematisch da ein Beschäftigungsverhältnis auch während einer Arbeitsunter- brechung bis zu einem Monat ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt als fortbestehend bewertet wird. Beispiel EineArbeitnehmerinmöch- te ihren alten sowie neuen Jahresur­ laub von jeweils 6 Wochen zu einer längeren Auszeit kombinieren. Im Anschluss plant sie noch unbezahlten Urlaub. Sie kann zusätzlich zu den 12 Wochen Erholungsurlaub bis zu 1 Mo­ nat unbezahlten Urlaub anhängen und bleibt in dieser Zeit sozialversichert. Längere Freistellung Wer mehr Zeit benötigt und nicht über entsprechende Arbeitszeit- oder Urlaubsguthaben verfügt, kann mit dem Arbeitgeber dennoch länge- re Freistellungszeiten vereinbaren. Aber: Wird während dieser Zeit kei- ne Vergütung gezahlt, gilt das Be- schäftigungsverhältnis als ruhend. Folglich muss sich der Arbeitneh- mer selber um seine Kranken- und Pflegeversicherung kümmern und auch die Beiträge allein tragen.

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